Zwischen Berlin und Brüssel
Das Ergebnis der SPD bei der Europawahl und der Bürgerschaftswahl in Bremen ist einmal mehr eine herbe Enttäuschung. So wenig Rückhalt hat die SPD bei einer bundesweiten Wahl noch nie genossen. Im Wahlkampf vor Ort haben wir gespürt: Das Ergebnis sagt nichts über unsere Arbeit in unserer Kolpingstadt Kerpen aus. Unsere kommunalpolitische Arbeit wird wertgeschätzt. Vom berühmten Gullydeckel vor der eigenen Haustür bis zu Grundsatzfragen des Strukturwandels oder den großen Entwicklungsprojekten in vielen Ortsteilen.
Wie erklärt sich die Unzufriedenheit mit der Bundes-SPD?
Ganz anders beurteilen die Menschen den Zustand der Bundes-SPD. Die Unzufriedenheit mit der Großen Koalition ist seit der Flucht der FDP in ganz Kerpen spürbar. Wir sind, bis auf 4 „Mövenpick“-Jahre, seit 1998 immer in Regierungsverantwortung. Auch wenn wir viele gute Projekte, insbesondere als Juniorpartner gegen eine nahezu handlungsunfähige CDU immer wieder erkämpft haben (Mindestlohn, Musterfeststellungsklage, Atomausstieg, Elternzeit, Ausbau der KiTas und OGS), liegt der Fokus immer noch deutlich auf den schlechten und menschenunwürdigen Aspekten der Agenda 2010.
Auch wenn wir hier endlich eine Neupositionierung geschafft haben, nimmt uns die Bevölkerung unsere Pläne nicht mehr ab.
Da die CDU die Abkehr der unwürdigen Bedingungen bei Hartz 4 genauso blockiert wie ein Klimaschutzgesetz, einen ausreichenden Mindestlohn oder eine funktionierende Kindergrundsicherung, ist in der Großen Koalition nichts zu gewinnen.
Grenzen setzen und diese Einhalten
Dies liegt aus unserer Sicht maßgeblich an den fehlenden Grenzen. Es muss klar sein, dass nicht alle unsere Positionen für einen Konsens geopfert werden!
Hier wurden alleine in der Zeit der Großen Koalition bereits immense Verfehlungen gemacht: Der Eintritt in Verhandlungen nach kategorischem Ausschluss, die Causa Maaßen und nicht zuletzt im Wahlkampf die Zustimmung zu Artikel 13. Ob man darüber die Koalition hätte beenden müssen, wenn die Bundeskanzlerin ihre Richtlinienkompetenz geltend gemacht hätte, ist die eine Sache. Im vorauseilenden Gehorsam die Meinung der Partei und den selbst ausgehandelten Koalitionsvertrag zu ignorieren, ist aber etwas gänzlich anderes.
Konsequenz macht Wahlkampf erst glaubwürdig
Die Probleme aus der Artikel 13 Entscheidung konnte man speziell daran erkennen, dass ein urbaner Wahlkampf geführt wurde und mit dieser Entscheidung das angesprochene Klientel zum Start des Wahlkampfes vor den Kopf gestoßen wurde. Dass sich dies in Entscheidungen des Justizministeriums auch in den weiteren Wochen verfestigte, ist ein erheblicher Teil des Wahlergebnisses.
Die Ausführungen Rezos trafen so die SPD und nicht die Grünen, obwohl beide Parteien auch in den letzten 2 Jahren gleichermaßen mit der CDU in umwelt- und sozialpolitischen Fragen Kröten geschluckt haben.
Personelle Erneuerung – es geht nicht um Köpfe
Die Inhalte haben wir. Eine solide Vision einer CO2 Steuer, welche die Gewinne, die mit Umweltverschmutzungen einhergehen, sozial orientiert zurück an die Menschen geben werden. Das ist etwas, dass speziell für die Braunkohleregion Deutschlands ein gutes Signal ist. Endlich müssten nicht nur „wir“ die umweltpolitischen Versäumnisse aller Deutschen in den Sektoren Landwirtschaft, Immobilien und speziell dem Verkehr auffangen. Dann sind da auch noch die Ideen zur Respektrente, dem Umbau des Hartz4 Systems und viele mehr.
Aber ohne jemand, der dies nach außen auch verkaufen kann und dem man zutraut, dass die Meinung nicht noch vor dem Mittagessen wieder geändert wird, helfen die besten Inhalte und Ideen nichts. Denn ohne die konsequente Arbeit zur Umsetzung, sind dies alles nur Stammtischparolen. Diese Aufgabe sehen wir bei unserer Parteivorsitzenden. Entweder Andrea sollte den Parteivorsitz drangeben und mit der CDU in der Koalition kämpfen oder den Fraktionsvorsitz abgeben. Aber nur, wenn dann die Inhalte konsequent vertreten und hart eingefordert werden. Ob die Glaubwürdigkeit für die Anforderung an den den Parteivorsitz noch ausreichend ist, darf leider bezweifelt werden.
Von den Kommunalpolitikern lernen
Die SPD steht in vielen Städten in Deutschland für eine verbindliche und erfolgreiche Kommunalpolitik. Wir sind fest davon überzeugt, dass mehr Kommunalpolitiker des Formates von Familienministerin Franziska Giffey die SPD Spitze bereichern wird. Sie setzt auf klare und leicht verständliche Botschaften und setzt diese um. Dies, ohne die Fesseln eines konservativen, bremsenden Koalitionärs, könnte wieder die Wucht sein, für die unsere SPD bekannt war.
Der Austausch mit den Wählerinnen und Wählern muss anders werden. Während selbst bei traditionell hierarchischen Strukturen wie Schulen, Vereinen und Universitäten Lehrer*innen, Trainer*innen und Professor*innen in den letzten Jahrzehnten eine völlig neue Ansprache gelernt haben, auf Augenhöhe zu kommunizieren, versagt die SPD nahezu völlig, wenn die kommunale Ebene verlassen wird.
Den Wähler ernst zu nehmen bedeutet aber auch klare Kritik zu äußern, wenn Kritik an einen selbst herangetragen wird. Ewige Gesprächsangebote väterlich von oben herab werden ohne goutieren der Argumente zur hohlen Phrase. So wird ein sonst gut gemeintes und souveränes Video als Replik zu einem YouTube Video mit (damals) 7mio Klicks, bedeutungslos.
Das unsere Spitzenkandidatin zu einem Fernsehduell erscheint, nicht aber zum Antwortvideo, obwohl das Fernsehduell nicht mal einen Bruchteil des Publikums erreicht wie das Video „Die Zerstörung der CDU“, entwertet die Replik leider zusätzlich.
Streamt all unsere Diskussionen, helft dass dies bis in die letzte OV Veranstaltung möglich wird! Nehmt die Kritik an und feuert zurück, wo sie falsch sind.
Macht deutlich, wo wir stehen und zieht rote Linien, welche auch eingehalten werden!
Daniel Dobbelstein
Vorsitzender der KerpenSPD
Andreas Lipp
Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion