Überprüfung und ggf. Neufestsetzung der Niederschlagswassergebühr unter Berücksichtigung einer voraussichtlich wesentlich vergrößerten, maßgeblichen, aktualisierten Gesamtgrundstücksfläche im Kerpener Stadtgebiet

Überprüfung und ggf. Neufestsetzung der Niederschlagswassergebühr unter Berücksichtigung einer voraussichtlich wesentlich vergrößerten, maßgeblichen, aktualisierten Gesamtgrundstücksfläche im Kerpener Stadtgebiet

Antrag für die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 29.03.2022

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

wir beantragen hiermit die zeitnahe Überprüfung der genannten Thematik durch die Verwaltung und – auf der Basis des Prüfungsergebnisses – eine anschließende Beschlussfassung im Haupt- und Finanzausschuss und im Stadtrat.

Begründung:

Es ist festzustellen, dass insbesondere in den letzten Jahren ein starker allgemeiner Trend zur erstmaligen bzw. zusätzlichen Versiegelung erheblicher Flächen auf Privatgrundstücken, z.B. in Vorgärten, Garagenzufahrten, Stellplätzen/Carports und Wegen innerhalb der bebauten Grundstücke festzustellen ist.

Diese offenbar bisher unaufhaltsame rasante Entwicklung wirkt sich nicht nur in ökologischer und stadtklimatologischer Hinsicht, sondern vermutlich auch in gebührenrelevanter Weise aus.

Es werden massenhaft insbesondere Schotter, Splitt sowie Betonplatten und -pflaster auf zuvor unversiegelten Grundstücksflächen aufgebracht.

Wesentliche Folge: Immer weniger Niederschlagswasser verbleibt auf den Grundstücken, um dort zur wichtigen Grundwasserneubildung zu versickern. Vielmehr wird das dort auftretende Grundwasser zusätzlich in die städtische Kanalisation eingeleitet. Das kann zu plötzlichen Problemen führen, z.B. bei mittlerweile häufiger auftretenden Starkregenereignissen.

Dieser bedeutende Anstieg der versiegelten Gesamtgrundstücksfläche im Kerpener Stadtgebiet hat mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Auswirkungen auf die Höhe der Niederschlagswassergebühr je qm befestigter Fläche.

Gemäß Anlage IV zur Sitzungsvorlage Drs.-Nr. 681.19 des Amtes 20 vom 27.11.2019 für die Haupt- und Finanz- bzw. Stadtratssitzung am 10.12. bzw. 17.12.2019 wurden für 2020 im Rahmen der Gebührenkalkulation bzw. der Gebührenbedarfsberechnung für die Niederschlagswassergebühr = 5.198.000 qm für private (einschl. städt.) befestigte und angeschlossene Grundstücksflächen zugrunde gelegt. Hinzu kommen öffentliche Verkehrsflächen für örtliche und überörtliche Straßen.

Letztlich wurde für das Jahr 2020 die Niederschlagswassergebühr auf 0,80 €/qm befestigte Fläche festgesetzt. Dabei ist wesentlich, dass laut den Erläuterungen der Kämmerei für das Jahr 2020 die Berücksichtigung eines relevanten Überschusses aus dem Jahr 2017 zu einer Verringerung dieser Gebühr in 2020 geführt hat, die ansonsten höher ausgefallen wäre.

Im Vergleich z. B. mit der Gebührenfestsetzung für das Jahr 2017 mit einer damals zugrunde gelegten Gesamtgrundstücksfläche von 5.115.000 qm hat sich die bei der Gebührenberechnung 2020 berücksichtigte Gesamtgrundstücksfläche im Kerpener Stadtgebiet innerhalb von insgesamt drei Jahren lediglich um + 63.000 qm bzw. um + 1,23 v. H. erhöht.

Angesichts dieser nur geringen Steigerung sind wegen der in allen Stadtteilen festzustellenden großen zusätzlichen Grundstücksversiegelungen bei Neubaumaßnahmen und im Gebäudealtbestand Zweifel daran angebracht, inwieweit die bei der Gebührenberechnung zugrunde gelegten Flächen die tatsächlichen Gegebenheiten abbilden.

Wir beantragen daher hiermit die umgehende Überprüfung der bisher zugrunde gelegten Berechnungs-/Kalkulationsgrundlagen (befestigte Grundstücksfläche) für die Bemessung der Höhe der Niederschlagswassergebühr für alle Abgabenpflichtigen unter Berücksichtigung der aktuell tatsächlich bestehenden befestigten Grundstücksflächen im Stadtgebiet unter Einbeziehung der durch die zusätzlichen umfangreichen Flächenversiegelungen tatsächlich hinzukommenden Flächen.

Je nach Ergebnis sollte daraus die Neuberechnung und Neufestsetzung der Niederschlagswassergebühr erfolgen.

Die bisher zugrunde gelegte Gesamtfläche in qm hat sich durch die in Folge der erheblichen Neuversiegelungen entstandenen Flächenzugänge mit hoher Wahrscheinlichkeit relevant erhöht, so dass die Kosten auf eine größere qm-Zahl aufzuteilen sind und damit die Höhe der Gebühr je qm für alle Gebührenpflichtigen voraussichtlich sinken wird.

In diesem Zusammenhang ist beispielhaft auf eine Darlegung des Bürgermeisters (siehe Kölner Stadt-Anzeiger vom 23.09.2017) im Zusammenhang mit der kritischen Finanzsituation der Kolpingstadt Kerpen hinsichtlich einer eventuellen „Überfliegung“ der Stadt zur Feststellung bisher bei den Abwassergebühren nicht berücksichtigter versiegelter Flächen hinzuweisen.

Auch wurde im Zusammenhang mit der Diskussion über die Durchführung einer externen Organisationsuntersuchung in der Abteilung Steuern und Beiträge im Haupt- und Finanzausschuss am 25.06.2019 / TOP 15.3 (Drs.-Nr. 400.19) in der Sitzungsvorlage vom 05.06.2019 zum Thema „Befliegung des Stadtgebietes zur Feststellung der Fläche für die Veranlagung der Niederschlagswassergebühr darauf hingewiesen, dass „in den meisten Fällen für die Ermittlung der Niederschlagswassergebühr Daten aus den 1990er Jahren vorliegen. Für die Durchführung der Befliegung und spätere Umsetzung der Ergebnisse lauten die Erfahrungen aus den Kommunen, die damit begonnen haben, dass ein Zeitraum von mehreren Jahren für die Umsetzung einzuplanen ist.“

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte am 18.09.2018 (Drs.-Nr. 705.18) einen vergleichbaren Überprüfungsantrag gestellt. Dazu hatte die Verwaltung mit Sitzungsvorlage vom 28.11.2018 für die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 11.12.2018 / TOP 9.2 unter Ziffer 6 u. a. folgendes ausgeführt:

„…Für eine Erneuerung der Gebührenerhebungsdaten bedarf es einer Erhebung (Befliegung), um aktuelle Daten zu erhalten. Eine Kostenschätzung für eine Befliegung liegt wegen der Kürze der Zeit noch nicht vor, allerdings wurde in der vergleichbaren Stadt Grevenbroich (ca. 65.000 Einwohner) eine Befliegung für ca. 15.000 € durchgeführt. Die günstigere Alternative wäre, die regelmäßige Befliegung durch das Land abzuwarten, um auf diese Daten zuzugreifen. Diese findet alle vier Jahre statt, die nächste erfolgt im Jahr 2020…….“

Die Verwaltung empfahl abschließend, einen positiven Beschluss für einen Arbeitsauftrag frühestens für das Jahr 2020 zu fassen, da sich die Abteilung ‚Steuern und Abgaben‘ aufgrund mehrerer personeller Veränderungen aktuell ohnehin in einer Phase des Umbruchs und der Einarbeitung befindet.“

Die entsprechende Sitzungsniederschrift enthält hierzu keinen konkreten Beschluss. Vielmehr hat der Ausschuss demzufolge einstimmig allgemein dem Rat der Kolpingstadt Kerpen empfohlen, die Gebührenbedarfsberechnung und die als Anlage beigefügte Änderung der Benutzungsgebührensatzung zu beschließen.

Gemäß § 6 Absatz 3 Kommunalabgabengesetz (KAG) NRW ist die Gebühr nach der Inanspruchnahme der Einrichtung oder Anlage zu bemessen (Wirklichkeitsmaßstab). Wenn das besonders schwierig oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist, kann ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab (z. B. Gebühr je qm befestigter Fläche) gewählt werden, der nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zu der Inanspruchnahme stehen darf.

Die bisher zugrunde gelegte Gesamtfläche in qm hat sich durch die in Folge der erheblichen Neuversiegelungen entstandenen Flächenzugänge mit hoher Wahrscheinlichkeit relevant erhöht, so dass die Kosten auf eine größere qm-Zahl aufzuteilen sind und die Höhe des Gebührensatzes je qm für alle Gebührenpflichtigen voraussichtlich sinken wird.

In diesem Zusammenhang ist auch auf das allgemeine Rechtsprinzip der Gebührengerechtigkeit hinzuweisen, wonach alle entsprechenden Nutzer*innen der Einrichtung oder Anlage entsprechend ihrer tatsächlichen Inanspruchnahme, mithin auch einschließlich der von ihnen zusätzlich versiegelten aktuellen Grundstücksflächen, zur Gebührenerhebung heranzuziehen sind.

Umgekehrt führt dies auch zu einem Anspruch unter anderem der Gebührenpflichtigen, die ihre befestigten Grundstücksflächen nicht erhöht haben, zur Einbeziehung der zusätzlichen Neubefestigungsflächen in den allgemeinen „Kostenverteiler“ mit der Folge einer Gebühren-Verringerung je qm für sie.

Eine Nichtberücksichtigung der zusätzlich versiegelten Grundstücksflächen bei der Gebührenkalkulation würde zu einer ungerechtfertigten Bevorteilung derjenigen Abgabenpflichtigen führen, welche auf ihren Grundstücken die Neuversiegelung durchgeführt haben.

Als „Nebenwirkung“ einer Gebührenveranlagung für eine tatsächlich festgestellte höhere befestigte Fläche als zuvor wäre eine teilweise Entsiegelung von Flächen zur Reduzierung der Gesamtgebühr durch Abgabepflichtige denkbar und im Sinne des Insekten- und Vogelschutzes, der in Zeiten des Klimawandels notwendigen Grundwasserneubildung, der Starkregenprävention, der Verbesserung des Stadtklimas sowie im Interesse der Gesundheit der Grundstücksbewohner*innen durch eine reduzierte Hitzespeicherung und -abstrahlung in Schotter, Split und Beton wünschenswert.

Angesichts der seit der Darstellung dieser Thematik in der Haupt- und Finanzausschusssitzung am 11.12.2018 verstrichenen Zeitspanne sollte nunmehr eine entsprechende Beschlussfassung gemäß unserem heutigen Antrag erfolgen.

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Lipp
Fraktionsvorsitzender